Denkmal des Monats Juli: Auf dem Holzweg durch das Ostentor

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Im Zuge von Tiefbauarbeiten im Dortmunder Stadtgebiet kommen immer wieder aufsehenerregende archäologische Funde und Befunde zutage. Besonders erfreulich ist dies, wenn diese aus Materialien bestehen, die sich nur selten im Boden erhalten. Ein solcher archäologischer Glücksfall ereignete sich am Dortmunder Ostwall im vergangen Jahr, als dort die Reste eines mittelalterlichen Knüppeldamms entdeckt wurden. Neue Ergebnisse zum Alter der Hölzer und ein Update zum Konservierungsprozess sind der Grund, den spannenden archäologischen Fund zum Denkmal des Monats Juli zu machen.

Zahlreiche Paare von Füßen treten durcheinander. Sie bewegen sich nach Westen, durch die mächtige, steinerne Torburg hindurch. Viele tragen zerschlissene Lederschuhe, einige feste Stiefel, manche laufen Barfuß. Zwischen Ihnen stampfen die Hufe von Ochsen, gelegentlich auch von Pferden. Ihnen folgen die Räder von hölzernen Karren und Wagen. Auf dem feuchten Untergrund finden sie alle Halt an den zahlreichen Bohlen aus Eichenholz, die in dem sandig-lehmigen Boden ausgelegt wurden. So oder so ähnlich könnte es sich an belebten Markttagen am Ostentor des mittelalterlichen Dortmund zugetragen haben.

Der Bohlenweg bei der Freilegung
Der Bohlenweg bei der Freilegung, Foto: Stadt Dortmund

Das mittelalterliche Dortmund, eine befestigte Stadt am Hellweg

Näherte man sich im Mittelalter der Stadt Dortmund, dürften bereits aus der Ferne die mächtigen Befestigungsanlagen zu sehen gewesen sein, welche das Gebiet der heutigen Altstadt spätestens seit 1200 n. Chr. umgaben. In das Innere gelangte man nur durch verschiedene Toranlagen, die an die Haupthandelswege anknüpften. Besonders der sog. westfälische Hellweg ist als ein Haupthandelsweg des Mittelalters bekannt. Er verknüpfte als Teilstück der großen Landverbindung von Brügge nach Novgorod insbesondere die Städte Essen im Westen und Paderborn im Osten miteinander. Als überregionale Ost-West-Handelsroute trug der Hellweg zur wirtschaftlichen und politischen Entwicklung der Region maßgeblich bei. Es ist daher nicht verwunderlich, dass immer wieder Teilstücke des Weges in verschiedenen Ausbauphasen auch heute noch bei Bautätigkeiten vorgefunden werden.

Ein archäologischer Glückfall beim Ausbau des Fernwärmenetzes

Genau dies geschah in Dortmund im Jahr 2021. Im Zuge der Erdarbeiten für die Modernisierung des Fernwärmenetzes der DEW21 konnten am Dortmunder Ostwall auf Höhe der Kaiserstraße erneut Teilbereiche des Weges freigelegt und dokumentiert werden. Besonders bemerkenswert ist, dass es sich bei dem hier offengelegten Teilstück um einen befestigten Bohlenweg handelt und sich die Hölzer bis heute im Boden erhalten haben. Ausbauten des Weges werden aufgrund ihrer Aufwändigkeit nicht über die volle Strecke des Hellwegs stattgefunden haben. Vielmehr wird der Weg größtenteils aus verdichtetem Lehm oder aus Steinpflaster angelegt gewesen sein. Nur vereinzelt treten Ausbauten aus Holz hinzu, wie sie beispielsweise 2006 bei Erdarbeiten in Essen oder nun in Dortmund vorgefunden werden konnten. Die am Dortmunder Ostentor angetroffenen Relikte des Hellwegs wurden in einer Tiefe von 1,8 m unter der heutigen Fahrbahnoberfläche aufgedeckt. Sie bestanden aus Eichenhölzern, die quer zur Fahrtrichtung verlegt und sorgfältig mithilfe von Flussgeröllen verkeilt waren. Die einzelnen Hölzer sind bis zu 1,9 m lang. Offenbar wurden sie nicht extra für den Hellweg hergestellt, sondern aus altem Baumaterial gewonnen. Dies bezeugen verschiedene Bearbeitungsspuren an den Hölzern, welche nicht typischerweise für die Errichtung eines Weges notwendig wären. Die alte Wegtrasse war insgesamt etwa 5,75 m breit. Dieses Maß bewegt sich im Rahmen der für mittelalterliche Wege üblichen Breite von knapp 6 m, die es erlaubte, dass zwei Ochsengespanne nebeneinander passieren konnten.

Detailaufnahme - Fest verkeilt liegen die einzelnen Holzbohlen zwischen den einzelnen Flusskieseln
Detailaufnahme – Fest verkeilt liegen die einzelnen Holzbohlen zwischen den einzelnen Flusskieseln, Foto: Stadt Dortmund

Über 1000 Jahre alt? Ein befestigter Weg aus alten Bauhölzern

Bereits unmittelbar nach der Auffindung des spannenden Geschichtszeugnisses wurden von den Hölzern Proben zum Zwecke der Altersbestimmung genommen. Die ersten Ergebnisse bestätigten die Vermutung, dass der Holzbohlenweg vermutlich älter als das bislang bekannte Ostentor ist. Nach dem Abschluss der Ausgrabung veranlasste die Stadtarchäologie weitere naturwissenschaftliche Analysen um eine sichere Datenbasis zu erhalten. Dabei wurde nicht nur Probenmaterial von den alten Bauhölzern genommen, sondern auch Sedimentproben aus dem nahen Umfeld des Bohlenweges in ein Labor nach Mannheim geschickt. Die Ergebnisse lassen aufhorchen. Denn die Proben von dem Sediment datieren in das ausgehende 9. und 10. Jahrhundert. Die untersuchten Holzproben weisen darauf hin, dass der Bohlenweg bereits im 11. oder frühen 12. Jahrhundert angelegt wurde. Offenbar war die Passage im 9.-10. Jahrhundert noch unbefestigt oder nur mit einem Steinpflaster ausgelegt. Erst ab dem 11. Jahrhundert bestand scheinbar die Notwendigkeit von umfangreicheren Wegebefestigungsmaßnahmen. Die Ergebnisse der 14C-Datierung legen außerdem nahe, dass der Bohlenweg bereits vor der letzten bekannten Ausbaustufe der Stadtbefestigung bestand.

Ob der Weg im Zusammenhang mit einer vorangegangenen, älteren Stadtbefestigung stand ist noch nicht geklärt, da sich der archäologisch untersuchte Bereich auf die geringe Trassenbreite des Fernwärmeprojektes begrenzt. Darüber hinaus liegen aufgrund eines großen Stadtbrandes im Jahr 1232, der auch unzählige Schriftstücke vernichtete, kaum Zeitzeugnisse vor, die ein genaues Bild der Befestigungsanlage fokussieren könnten.

Nicht ganz ohne Einbußen – Puzzleteile der Geschichte konserviert für die Zukunft

Seit nun einem Jahr befinden sich die Hölzer mittlerweile in der Restaurierungswerkstatt des Museums für Archäologie Schloss Gottorf in Schleswig. Dort werden sie von Spezialisten für archäologische Nasshölzer mithilfe von Polyethylenglykol konserviert. Wenn die Hölzer in etwa acht bis neun Jahren wieder zurück nach Dortmund kommen und den Bürger*innen der Stadt Dortmund als Bohlenweg rekonstruiert zugänglich gemacht werden, so wird dem ein oder anderen Beobachter vielleicht eine kaum merkliche Veränderung auffallen: Denn während des Konservierungsprozesses sind die einzelnen Holzbohlen minimal geschrumpft, wodurch die Rinde, die teilweise noch an den Stämmen vorhanden war, abgelöst wurde. Auch die ursprünglich dunkelbraun-schwarze Holzfarbe hat sich etwas verändert. Denkbar ist, dass die Baumrinde zumindest an den Schauseiten wieder aufgesetzt wird.

Vor dem Hintergrund, dass ein Verbleib von dem Teilstück des Bohlenwegs an seinem Auffindungsort am Ostentor die vollständige Zerstörung mit sich gebracht hätte, fallen diese „Einbußen“ an den Hölzern kaum ins Gewicht.

Die Denkmalbehörde wird weiter über den Konservierungsprozess und neue Erkenntnisse zu einem der aktuell wichtigsten Puzzleteile für die Rekonstruktion des Stadtbildes von Dortmund vor der Errichtung der Stadtmauer um 1200 n. Chr. berichten.

Denk mal!

Über 300 Denkmäler gibt es im Stadtbezirk Innenstadt-Ost und jedes Kind weiß, was ein Denkmal ist. Aber so einfach ist das auch wieder nicht, denn was haben der Wasserturm am Heiligen Weg, die alte Platane auf dem Ostfriedhof und das Kaiser- Wilhelm-Denkmal im Westfalenpark gemeinsam?

Es klingt zwar komisch, ist aber so: Alle drei sind Denkmäler. Dennoch bestehen deutliche Unterschiede zwischen ihnen. Der Wasserturm ist ein Baudenkmal, die Platane ein Naturdenkmal – und das Kaiser-Wilhelm-Standbild? Einfach nur ein Denkmal?

Die Liste der Denkmalbehörde für den Stadtbezirk Innenstadt-Ost führt zahlreiche Bauwerke auf. Wohnhäuser, ganze Siedlungen, Kirchen und der massige Sonnenbunker gehören ebenso dazu wie der Gartenpavillon in der Hansbergstraße und der Fernsehturm „Florian“ nebst Parkcafé.