Das Sonnensegel im Westfalenpark beschäftigte in den letzten Jahren immer wieder die Öffentlichkeit. Ist es zu retten, oder muss es abgerissen werden? Diese Frage beschäftigte Bürger und Journalisten. Inzwischen gibt es berechtigte Hoffnung auf seinen Fortbestand. Für die Denkmalbehörde Dortmund ist dies Anlass, das kürzlich in die Denkmalliste aufgenommene Objekt als Denkmal des Monats Juli 2018 vorzustellen.
Bundesgartenschau Euroflor
1969 wollte Dortmund mit der erneuten Bundesgartenschau Euroflor den großen Erfolg der Bundesgartenschau zehn Jahre zuvor wiederholen. Damals hatten im neu gestalteten Westfalenpark nicht nur Blumen, Rabatten und Gehölze die Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Bestaunt wurden auch Gebäude in modernen Formen, wie Florianturm, Parkcafé oder die Seebühne, die bis heute genutzt werden. Für 1969 plante man dagegen Bauten mit kürzerer Lebensdauer und räumte beispielsweise die kulissenhafte „Alte Stadt“ oder das „Aquarama“ bald nach Ende der Euroflor wieder ab. Allein das Sonnensegel überdauerte die Zeiten. Während der Euroflor es als Schutz für die Vitrinen und Pavillons des Informationszentrums verwendet, blieb es danach zunächst ungenutzt und diente zeitweise nur als Unterstellplatz für Gerätschaften. Doch nachdem ab den 1970er Jahren unter dem Sonnensegel Konzert- und Tanzveranstaltungen rasch Anklang fanden, ist es aus dem Westfalenpark nicht mehr wegzudenken. Ein Wettbewerb zur Namensgebung ergab zahlreiche assoziative Vorschläge: „Rochen“ und „Flunder“ für die Betrachtung aus der Luft, „Zwitscherlaube“, weil sich inzwischen Vogelpaare in seinem Schutz eingenistet hatten. Doch als passendster Name erschien Sonnensegel, da es nicht nur vor Regen, sondern auch vor Sonne schützte.
Hochfliegende Konstruktion
Mitten im Westfalenpark gelegen, war das Sonnensegel nicht nur Anziehungspunkt als Veranstaltungszentrum. Allein seine Form als schwebendes Dach zog das Interesse auf sich.
Bereits in den 1920er Jahren hatte man mit stützenfreien Hängedächern experimentiert, die nach dem Zweiten Weltkrieg vermehrt zur Anwendung kamen. Meistens bestanden die Dachschalen aus Beton. Außerdem überwölbte man damit in der Regel einen Raum, so dass auch die Seitenwände eine gewisse Standfestigkeit lieferten. Einer der Pioniere auf diesem Gebiet, der Architekt Frei Otto (1925-2015), hatte 1954 über das Hängedach promoviert und für die Bundesgartenschau 1955 in Kassel einen Musikpavillon entworfen, der vermutlich Vorbild für das Dortmunder Sonnensegel wurde. Das Dach des kleineren Kasseler Pavillons bestand aus Textil. Mit diesem Material wird das Prinzip des Hängedachs besser vorstellbar. „Wie man beim Camping sein Zelt spannt, damit es nicht zusammenfällt, so müssen auch Hängedächer gespannt werden“, veranschaulicht “, erläutert Michael Holtkötter, Denkmalschützer der Stadt Dortmund, das Prinzip. „Allerdings gibt es hier keine Mittelstützen, sondern man muss mit Zug und Gegenzug arbeiten. Jeweils an den gegenüberliegenden Seiten wird nach oben bzw. nach unten gezogen. So erhält man die schwebende Dachfläche, die beim Dortmunder Sonnensegel aus drei übereinanderliegenden Holzschalen besteht.“ Die Arbeitsgemeinschaft Holz e.V. aus Düsseldorf hatte sie gespendet, um publikumswirksam die Möglichkeiten dieses Materials zu zeigen. Verantwortlicher Architekt war Günter Behnisch (1922-2010), der zur gleichen Zeit am Dach für das Münchener Olympiastadion arbeitete, das wegen seiner Größe und der Deckung mit Kunststoff allerdings andere Anforderungen stellte. Doch auch für das Dortmunder Sonnensegel waren allein 530 Seiten Statikberechnungen erforderlich – damals noch ohne Computer zu kalkulieren.
Abriss – Neubau – Sanierung?
Im Laufe der Zeit stellten sich am Sonnensegel statische Mängel ein. Feuchtigkeitsschäden und Materialmüdigkeit führten dazu, dass die Standsicherheit nicht mehr gegeben war und das Objekt gesperrt werden musste. Erste Gutachten schlossen eine Sanierung aus, da man befürchtete, alle drei Schalen des Daches vollständig austauschen zu müssen. Das wäre nicht nur teuer geworden, sondern es wäre quasi ein neuer Nachbau entstanden und der Zeugnischarakter des Originals als Denkmal damit verloren gegangen. „Dankenswerterweise wurde mit Unterstützung der gemeinnützigen Wüstenrot Stiftung eine weitere Untersuchung initiiert. Die daraus entstandene Machbarkeitsstudie zeigt nun Wege zu einer statischen Ertüchtigung auf, ohne die Originalsubtanz zu stark anzutasten“, sagt Holtkötter. Dabei sollen Kohlestofffasern eingesetzt werden, ein Material, das man beispielsweise von leichten Sportgeräten wie Fahrrädern oder Tennisschlägern kennt. Auf die Dachschale des Sonnensegels wird ein Netz aus millimeterdünnen Kohlestofffasern gelegt, das von oben die Statik sichert. Nur noch einzelne schadhafte Holzbretter sind dann zu erneuen. Die Restaurierung wird damit wesentlich kostengünstiger, als in den ersten Gutachten angenommen. Sie soll voraussichtlich im Herbst 2018 beginnen und innerhalb eines Jahres abgeschlossen sein. Vielleicht können dann wieder die beliebten Freiluftveranstaltungen unter dem Sonnensegel stattfinden.